Keine Erfahrung
Ich wurde gebeten, als Pfarrer etwas zur aktuellen Situation zu sagen, das möchte ich hiermit tun.
Wir erleben zurzeit etwas, was wir nicht kennen. Von jung bis alt ist uns das fremd, was gerade auf der ganzen Welt geschieht. Wir kennen ähnliche Szenarien aus Kinofilmen. Aber jetzt gerade bedroht uns ein echter Virus, der sich schnell und leicht verbreitet.
So etwas haben wir noch nie erlebt. Selbst die Ältesten unter uns kennen das nicht. Das ist fremd wir haben damit keine Erfahrung.
Wenn so etwas geschieht, was wir nicht kennen, reagieren wir Menschen auf unterschiedliche Art und Weise.
Den einen macht es Angst und sie reden offen darüber. Manchmal auch so viel, dass sie andere mit ihrer Angst anstecken.
Andere wollen sich keine Angst machen lassen und reagieren mit Trotz – Corona Parties, Witze über den Virus. „Ich lasse mir keine Angst machen!“
Wieder andere verunsichert die Situation und sie wollen all die Ratschläge und Hinweise beachten, die tagtäglich veröffentlicht werden. — Fast unmöglich und viel zu anstrengend auf Dauer. Es macht einen fast verrückt, weil man ja nie genug machen kann.
Andere wollen das Bedrohliche nicht nah an sich heranlassen und versuchen herunterzuspielen: „Ach so schlimm wird das schon nicht!“ – „Es ist noch immer gut gegangen“.
Und so manche sehen hinter all dem Verschwörungen und geheime Pläne, um das Gefühl zu haben, irgendetwas zu durchblicken – in dieser Zeit, wo so viele Meldungen und Nachrichten auf uns einströmen, und wir überhaupt nicht bewerten können, was wahr und falsch ist, weil wir eben überhaupt keine Erfahrung mit dieser neuen, weltweiten Situation haben.
Ganz egal, wie wir damit umgehen. Wir alle reagieren auf denselben Zustand. Da ist etwas, was wir nicht kennen. Was wir nicht einschätzen können und schon gar nicht im Griff haben.
Wir sitzen alle im gleichen Boot. Egal, wie uns zumute ist. Die Jungen und die Alten, die Ängstlichen und die Trotzigen – wir wissen alle nicht, was gerade geschieht und wie wir uns am besten verhalten sollen.
Wir müssen alle probieren und abwarten, was Erfolg hat.
Keine Angst
Ich selbst habe großen Respekt vor dem, was gerade geschieht. Ich bin vorsichtig und behalte immer im Hinterkopf, wo ich Kontakt habe und wie ich mich und meine Familie schützen kann. Und das ist anstrengend, wenn man immer im Hinterkopf im Vorsichtsmodus ist.
Ich weiß, dass das Corona-Virus sehr leicht übertragbar ist und sich sehr schnell ausbreiten kann.
Ich weiß, dass die Zahlen der Infizierten und der Toten noch steigen werden, weil wir ja immer erst 2–3 Wochen später merken, ob und wie unsere Maßnahmen funktionieren.
Ich nehme das alles gerade ernst. Aber Angst habe ich nicht. Anspannung und Behutsamkeit: Ja. Aber Angst habe ich wirklich nicht.
Warum das so ist, kann ich gar nicht so genau sagen. Ich vermute, weil ich die Erfahrung in meinem Leben gemacht habe, dass Gott auch noch da ist, gerade in den schwierigen Momenten in meinem Leben.
Dass ich jetzt gerade nicht auf mich allein gestellt bin, sondern Gott an meiner Seite ist, so wie immer.
Das macht mich nicht unverwundbar oder immun gegen den Corona-Virus. Aber irgendwie spüre ich eine Kraft in mir, die mich beruhigt, die mir Geduld gibt und Ruhe. Die mich abwarten und aushalten lässt. Eine Kraft, die verhindert, dass ich in Angst und Panik ausbreche.
Eher genau das Gegenteil. Trotz all dem, was mir fremd ist und mir Angst machen will, kann ich ruhig bleiben und zuhören. Kann ich andere akzeptieren, wie sie mit dieser Situation gerade umgehen.
In einem Brief der ersten Christen aus dem Jahr 100nC – dem sog. 2. Timotheusbrief 1,7 — steht geschrieben: „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Das ist die Erfahrung unserer Vorfahren. Gott ist an unserer Seite – auch in dieser schwierigen Situation. Er gibt uns die Kraft, die wir brauchen. Und die Liebe, um uns auch in Krisenzeiten um die zu kümmern, die auf Hilfe angewiesen sind. Und den klaren Verstand, die Besonnenheit, um ruhig und respektvoll miteinander umzugehen.
Das wünsche ich Euch, dass ihr nicht voll von Angst und Panik seid. Sondern voll von Gottes Kraft, und seiner Liebe und Besonnenheit. Gerade jetzt.
Amen.